Mit Unverständnis haben wir den ersten Beschluss des neu konstituierten Bautzener Kreistages zur Kenntnis genommen. Dem von der AfD eingebrachten Vorschlag einer Streichung der Stelle einer/ eines Ausländer- und Integrationsbeauftragten aus der Hauptsatzung der Landkreisvertretung wurde in der Sitzung vom 19.08.2024 mehrheitlich zugestimmt. Man muss nur einen Blick auf die Sitzverhältnisse im Kreistag werfen, um festzustellen, dass auch Vertreterinnen demokratischer Parteien für die Abschaffung des entsprechenden Paragraphen aus der genannten Satzung plädierten oder sich ihrer Stimme enthielten. Der Vorschlag, die Abstimmung geheim abzuhalten, wurde nachweislich auch vom Bautzener Landrat angenommen.[1] Die fehlende Reaktion auf den Hinweis potenziell rechtwidriger Vorgänge lässt Raum für Spekulationen u.a. zum Abstimmungsverhalten einzelner Anwesender und ihrer Verantwortung gegenüber Mitarbeiterinnen.
Nach einem längeren Beteiligungs- und Anhörungsverfahren, welches zivilgesellschaftliche und kommunale Akteurinnen in den Gesetzgebungsprozess einband, wurde Anfang Mai das sächsische Integrations- und Teilhabegesetz im sächsischen Landtag verabschiedet[2]. Es bildet auch die Grundlage für kommunale Aufgaben der Integration. So regelt § 19 Abs. 1 SächsIntG die Bestellung hauptamtlicher Beauftragter für die Integration und Teilhabe von Migrantinnen auf kommunaler Ebene im Rahmen einer Soll-Vorschrift[3]. Der nun erwirkte Beschluss argumentiert vor diesem juristischen Hintergrund, dass die Streichung einer Ausländer- und Integrationsbeauftragten finanzielle Einsparungen ermöglicht. Verwiesen wird im Zuge des sächsischen Integrations- und Teilhabegesetzes auf die Landesregierung.
Dies ist aus unserer Sicht aus mehreren Gründen höchst problematisch.
- Eine zugehörige Rechtsverordnung des Sächsischen Ministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Sächsischen Integrations- und Teilhabegesetz[4] soll in diesen Tagen in einer der letzten Kabinettssitzungen vor der Landtagswahl beschlossen werden. Die Verordnung formuliert auch, wie die Förderung der kommunalen Integrationsaufgaben durch das Land Sachsen zukünftig geregelt wird.
Man sollte annehmen dürfen, dass Kommunalpolitikerinnen, die einen Beschlussvorschlag einbringen bzw. über diesen abstimmen, darüber im Bilde sind, dass auf eine Gesetzesgrundlage eine entsprechende Verordnung folgt, um sie entsprechend umsetzen zu können. Dass nun, in der konstituierenden Sitzung des neuen Kreistages, just ein paar Tage vor Verabschiedung der erwähnten Rechtsverordnung, die hauptamtliche Integrationsbeauftragte des Landkreises Bautzen aus der Hauptsatzung des Kreistages herausgestrichen wird, könnte auch als strategischer Zug gewertet werden, der die finanzielle Erleichterung für den Landkreis zwar legitim anführt, dies aber nur Tage bevor die entsprechende Rechtsverordnung beschlossen sein wird und damit auch die finanzielle Untersetzung der Stelle geregelt wird.
- Es zeigt sich einmal mehr, wie in Ostsachsen der Abbau von integrationsfördernden Maßnahmen mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit korreliert.
Die Sächsische Gemeindeordnung regelt, dass Städte „sonstige Beiräte“ bilden können, welche ihre Interessen in Verwaltung und Rat einbringen.(Quelle: Sächsische Gemeindeordnung §47 Sonstige Beiräte). Diese Regelung basiert jedoch auf Freiwilligkeit und wird in den wenigsten Städten und Landkreisen institutionalisiert. Die Integrations- und Ausländerbeauftragte ist daher eine äußerst relevante institutionalisierte Fürsprecherin für Menschen mit Migrationshintergrund. Sie steht den Menschen auch beratend zur Seite, vernetzt Akteurinnen und koordiniert Veranstaltungen, die sichere Räume für ihre Teilnehmenden bieten sollen und Austausch ermöglichen.
- Die Kreistagssitzung am 19.08.2024 war die erste, in der die neu gewählten Abgeordneten zusammenkamen und sie endete bereits mit einem, von der AfD initiierten, Angriff auf eine vielfältige Gesellschaft.
Die demokratische Zivilgesellschaft im Landkreis wird sich auf noch härtere Zeiten einstellen müssen. Sie wird noch stärker als bisher Ressourcen aufbringen müssen, um demokratisches und legales Handeln zu verteidigen und umzusetzen.
Hierzu gehört es, eine klare Haltung zu beziehen, wenn Entscheidungen getroffen werden, die auf mögliche Rechtswidrigkeiten und fehlende Sensibilität für marginalisierte Gruppen hindeuten.
Es braucht Solidarität, um jene Menschen zu unterstützen, die von der von der Übersetzung rechter Narrative in Verwaltungshandeln direkt betroffen sind.
Wir appellieren an die Zivilgesellschaft sowie Politikerinnen in Sachsen vor der Landtagswahl ein starkes Signal für Demokratie und Gleichberechtigung auszusenden.
[1] https://www.saechsische.de/bautzen/landkreis-bautzen-neuer-kreistag-2024-erste-sitzung-witschas-afd-cdu-linke-wahlen-abstimmung-6035279-plus.html, letzter Zugriff: 22.08.2024, 08:49.
[2] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1075185, letzter Zugriff: 22.08.2024, 08:50.
[3] https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/20855-Saechsisches-Integrations-und-Teilhabegesetz, letzter Zugriff: 22.08.2024, 08:51.
[4] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1075185, Abs. 5. Letzter Zugriff: 22.08.2024, 08:52.